Zuckerzug

Am 15. Februar 1947 kam es am Arlberg bei der Talfahrt auf der Westrampe zu einem Bremsversagen beim Güterzug 1073, mit der E 94 103 (später umbenannt in 1020. 41) der Zugförderungsleitung Bludenz als Zuglok.

Kurz nach dem Bahnhof Langen bemerkte der Lokführer Wegher Ludwig, dass die Zug-Bremsen nicht funktionierten, obwohl zuvor im Bahnhof St. Anton eine Bremsprobe durchgeführt worden war. Lediglich die Lok und die ersten vier Wagen zeigten eine Bremswirkung, doch durch das Gefälle und das hohe Zuggewicht war die Lok nicht in der Lage den Zug zum Stillstand zu bringen. Bei der Durchfahrt des Bahnhofs Wald zeigte der Tacho bereits 80 km/h, in Dalaas waren es dann bereits über 100 km/h.

Die beiden im Zug (auf den hinteren Waggons) befindlichen Bremser waren bereits abgesprungen und überlebten den Sprung dank des tiefen Schnees relativ unbeschadet. Ab Dalaas kam es dann zu ersten Zugtrennungen. Fast alle Wagen entgleisten und stürzten durch die Wucht des Aufpralls teilweise über 100 Meter in die Tiefe, nur wenige blieben am Bahnkörper liegen.

Nach Aussagen des Lokpersonals soll die Lok in den engen Radien zeitweise nur noch auf den äußeren Rädern gefahren sein, während die inneren durch die Fliehkraft in der Luft schwebten.

SymbolbildNur das schnelle Handeln des diensthabenden Personals entlang der Strecke verhinderte eine Katastrophe. Alle Bahnhöfe schalteten die günstigsten Durchfahrtswege für die Höllenfahrt frei, so dass wenigstens kein Zusammenstoß geschehen konnte. In Bludenz, wo alle Durchgangs-Gleise besetzt waren, konnte ein Gleis in letzter Sekunde frei rangiert werden.

Der Versuch, die Lok in der Geraden mittels Hemmschuh zu bremsen, scheiterte aber. Die Lok schleuderte den Schuh vom Gleis und zerstörte dadurch einen Teil ihres Bahnräumers. Erst in der Haltestelle Nüziders blieb die Lok dann rauchend stehend. Im hinteren Führerstand war durch eine umgestürzte Karbid-Lampe ein Brand entstanden, den die Feuerwehr aber schnell unter Kontrolle hatte.

Bei dieser Fahrt erreichte die E 94 wohl die höchste Geschwindigkeit, die sie je gefahren ist. Das Personal (Lokführer Wegher Ludwig und Beimann Barbisch Engelbert, beide aus Rankweil) kam mit den Schrecken davon und trat erst viele Monate später wieder den Dienst an. Die Lok kam anschließend zur Zugförderungsleitung Bludenz und wurde dort in den kommenden Wochen wieder instandgesetzt.


Weshalb Zuckerzug?

Die meisten Waggons waren gefüllt mit Zucker. Die Dalaaser sind zu Dutzenden mit ihren Handkarren hinausgerannt und haben da den Zucker eingeladen und nach Dalaas geschleppt, denn Zucker war damals noch eine streng rationierte Seltenheit!
Nun waren aber die mit dem Zucker gar nicht die Schlauen, denn der Zug hatte auch Stahl mit sich geführt, Baustahl, und der war noch rarer. Und die ganz schlauen Dalaaser haben Stahl geholt und den dann verkauft, den konnte man zwar nicht in den Riebel und in den Kaffee tun, aber mit dem Geld, das man damit gewonnen hat, konnte man bei den anderen, die den Zucker geholt haben, einiges davon kaufen und vieles andere auch
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(aus Festrede von Hans Sperandio zu 100 Jahre Arlbergbahn)