Am Sonntag, dem 23. April, als die Nachricht eintraf, dass die alliierten Truppen in Friedrichhafen seien, war in Rankweil einerseits eine Angstpsychose und andererseits ein Aufatmen, doch endlich von dem Alpdruck befreit zu sein, zu bemerken. Nervosität war bei gewissen Herren zu verspüren! Auf Befehl wurde noch am selben Tag die sogenannte 5. Kolonne als Geiseln verhaftet. Diese Angehörige der Standschützen wurden schon Monate vorher von den Nazis als die politischen Gegner im Ort bezeichnet und es durften denen auch keine Waffen anvertraut werden. Sie erhielten daher nur Einberufungen zu kurzfristigen Notdiensten und mussten zuerst am Jllspitz Weidenruten schneiden und später Gräben für Luftschutzzwecke in Brederis ausheben.
Diese 10 Männer, die als Geiseln am Sonntagnachmittag von der Straße weg verhaftet wurden, waren alles harmlose, aber als entschiedene Gegner der Nazis bekannt: Rohrer Alois, Gau Alfons, Ludescher Adolf, Matt Emil, Rauch Josef, Kathan Josef, Barbisch Otto, Paulitsch Christian, Kielwein Franz und Heunig, ein über 60 Jahre alter Mann, der wegen einer Denunziation über 2 Jahre im KZ gewesen war.
Bei Einbruch der Dunkelheit konnten Emil Matt und Josef Rauch aus dem Gemeindearrest durch ein geschicktes Manöver entkommen. Die übrigen acht Geiseln wurden zum Teil in einer Nebenzelle und zum Teil auf dem Gendarmerieposten im Gärtner-Häusle-Haus bis 12 Uhr nachts festgehalten.
Es herrschte auf dem Posten ein reges Kommen und Gehen. Bürgermeister, Ortsgruppenleiter und sonstige Parteifunktionäre verschwanden von Zeit zu Zeit in das Nebenzimmer des Postens und berieten wahrscheinlich über die zu treffenden Maßnahmen. Um ½ 1 Uhr nachts wurden die Geiseln aufgefordert in das bereitstehende Auto einzusteigen. Vorher wurde ihnen noch erklärt, dass sie keinen Fluchtversuch unternehmen sollen, da sonst sofort geschossen würde.
Sie bestiegen das Lastauto und erhielten ca. 15 Mann Bewachung mit und fuhren nach Feldkirch. In Feldkirch wurden sie auf der Schattenburg dem dortigen Kampfkommandanten vorgeführt. Dieser erklärte kurzerhand dem Bewachungskommandanten Hudlak, er könne diese Leute hier nicht brauchen und solle sich an die örtliche Sicherheitswachstelle wenden. Sie (die Geiseln) marschierten durch die stockfinstere Stadt – vorne, seitwärts und rückwärts bewacht – zum Gendarmerieposten Feldkirch. Dort wurden sie aber auch abgewiesen, bis sie schließlich bei der Polizei landeten, welche die Geiseln nach Aufnahme der Personaldaten in den Arrest steckte.
Am nächsten Tag, gegen Abend, sollten sie nach Dornbirn überstellt und von dort mittels Auto nach Landeck überführt zu werden. In Tirol sollten sie der SS übergeben und schließlich von diesen liquidiert werden. Aber es kam nicht mehr zur Ausführung dieses Vorhabens. Die Herren bekamen es mit der Angst zu tun. Die französischen Truppen waren eiliger unterwegs als sie glaubten. Die Geiseln wurden entlassen bis auf den alten Mann, der kein Rankweiler war und daher nicht enthaftet wurde.
Gegen die zwei Flüchtigen Matt und Rauch wurde ein allgemeiner Schießbefehl erlassen. Alle Gendarmerieposten sowie Standschützen wurden angewiesen, hinter diesen zwei Männern her zu sein und die Genannten bei Aufspürung sofort zu erschießen. Einige Tage später wurde Frau Matt als Geisel nach Dornbirn eingeliefert, deren Kinder, darunter ein 1-jähriges Kind, wurden zwangsweise verstellt und das Haus versiegelt. Die Frau wurde aber schließlich kurz vor dem Einmarsch der Franzosen wieder enthaftet. Im Anbetracht der gegebenen militärischen Lage nahm der Vorfall noch ein glückliches Ende.
In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai versuchte Kielwein gemeinsam mit dem Krieggefangenen Jean Mariani vom Bahnhof Rankweil aus durch Vermittlung des Fahrdienstleiters Walser Alfons mit den Bahnhöfen, die schon von den Franzosen besetzt waren, in Verbindung zu treten. Es gelang ihm, mit den Bahnhöfen Dornbirn und Hohenems in Kontakt zu treten und erhielt dabei wertvolle Angaben über die zu treffenden Maßnahmen.