Noch am 12. März ernannte die neue Vorarlberger Landesregierung den Rankweiler Tierarzt Dr. Franz Schöch zum Bürgermeister der Marktgemeinde Rankweil. Für den NS-Ortsgruppenleiter Hans Ludescher wurde ein Büro eingerichtet, welches die Propaganda koordinieren und die von Hitler gewünschte Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an das »Altreich« vorbereiten sollte. Im Anschlussgesetz wurde das Wahlalter in Österreich von 24 auf 20 Jahre herabgesetzt.
Volksabstimmung am 10. April 1938
Als Gemeindewahlleiter für den 10. April wurde der Eisenbahnbeamte Hans Jenny berufen, der zu diesem Zweck von der Bahndirektion »dienstfrei« gestellt wurde. Da ihm und seinen Helfern diese Art von administrativer Tätigkeit fremd war, »hatten sie alle Hände voll zu tun«.
Um zumindest in der Gemeinde keinen Verdacht auf irgendeine Wahlmanipulation aufkommen zu lassen, lud er Seraphin Reich von der früheren christlich-sozialen Partei und Franz Kielwein von der sozialdemokratischen Seite ein, als Beisitzer den korrekten Verlauf der Wahl zu überwachen.
Das Ortsergebnis der Zustimmung für den Anschluss betrug in Rankweil 99 Prozent. Es gab nur 36 (mutige) Gegenstimmen.
»Heimkehrer«
Inzwischen waren die in der Verbotszeit nach Deutschland zur Österreichischen Legion geflüchteten Parteimitglieder – die sogenannten „Illegalen“ – zurückgekehrt und traten als Anwärter auf verschiedene Versorgungsposten auf. Es gab Postenjäger in rauen Mengen und jeder wollte der noch bessere Nationalsozialist sein. Unter ihnen war auch der Rankweiler Hans Dietrich, der bereits den Rang eines Sturmbannführers des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) bekleidete, was dem militärischen Rang eines Majors entsprach. Dieser trat nun als »Gesellschafter« (Berater) des neuen Bürgermeisters in dessen Büro auf.
Konflikt um den 1. Mai
Bürgermeister Franz Schöch hatte sich Mitte April mit Pfarrer Strasser getroffen, um das politische Programm der Gemeinde und die kirchlichen Aktivitäten für den 1. Mai zeitlich auf einander abzustimmen.
Die Staatsfeier mit der erstmaligen Aufrichtung einesMaibaumes sollte eine halbe Stunde vorverlegt, die Wallfahrtsfeier eine halbe Stunde nach rückwärts verschoben werden. So würde alles glatt vonstatten gehen. Außerdem versprach der Bürgermeister dem Pfarrer, wie bisher einen Beitrag zu den Kosten des Wallfahrtstages zu leisten. Kurz darauf musste Schöch jedoch dem Pfarrer mitteilen, dass die Landesparteileitung ein Veto gegen ihre Abmachungen eingelegt hatte. Schöch äußerte nun öffentlich Rücktrittsabsichten.
Bürgermeisterwechsel
Der von vielen erwartete Nachfolger Hans Dietrich glaubte inzwischen, demnächst auf eine Stelle in der Gauleitung berufen zu werden, und bemühte sich nicht weiter um das Rankweiler Bürgermeisteramt. Als Bewerber trat nun der Gießereibesitzer Ernst Franke auf und bot Jenny die Stelle des Gemeindesekretärs an, wenn dieser seine Ambitionen unterstütze. Bürgermeister Schöch und sein Berater Dietrich zeigten sich jedoch überzeugt, dass der Wahlleiter Hans Jenny der geeignete Kandidat für das Amt des Gemeindeoberhauptes sei. Jenny wurde zu einem sehr intensiven Gespräch in die Wohnung von Bürgermeister Schöch geladen. Seine anfängliche Weigerung, die ihm zugedachte Aufgabe zu übernehmen, konnten die beiden erst mit dem Hinweis überwinden, dass widrigenfalls die Stelle im Altreich zur Bewerbung ausgeschrieben würde. So kam es zur Amtsübernahme von Hans Jenny am 2. Mai 1938.
Aus »Rankweils Pfarrer ufm Berg im 20. Jahrhundert« Reihe Rankweil – Kessler/Sperandio.